14 Jahre Pfarrer – Clemens Abrahamowicz im Interview

14 Jahre lang war Clemens Abrahamowicz Pfarrer unserer Pfarre St. Anna Baumgarten. Nun verlässt er uns schweren Herzens, um eine Pfarre am Rande Wiens, in Baden, zu übernehmen. Doch warum folgt er dem Ruf des Kardinals, obwohl es ihm bei uns so gut gefällt? Unser Bald-Ex-Pfarrer steht ein letztes Mal unserer Reporterin

Rede und Antwort.



Pfarrer Clemens Abrahamowicz
Pfarrer Clemens Abrahamowicz

Wie war das, als du gefragt wurdest, ob du dich versetzen lässt?

Der Bischofsvikar hat mich eines Tages am Telefon gefragt, ob ich eventuell eine neue Pfarre in Baden übernehmen möchte, aber ich dachte mir, "nana, das kommt eh nicht in Frage", und ich hab mir dann noch am selben Tag eine Liste notiert, warum ich das nicht möchte. Dann sind zwei Tage etwa vergangen und es war der Geburtstag meiner Mutter, da läutete plötzlich das Telefon und der Kardinal persönlich war dran! Ich dachte nur "Ui!" und vermutete eigentlich, er fragt mich wegen etwas anderem. Aber er hat das dann doch angesprochen und somit hab ich dann kapiert, dass es eine ernste Bitte ist. Da hab ich dann schon, wie man so sagt "schön gschaut"! Ich hab das dann mit ins Gebet genommen. Und natürlich, wie ich es gelernt hab von den geistl. Meistern, hab ich mich an Folgendes gehalten: "Wenn du Bedenken hast, sag's, wenn der Obere bei seiner Bitte bleibt, dann kannst du getrost den Weg gehen." Und das hab ich dann auch gemacht. Ich hab dem Kardinal meine Bedenken geäußert, gesagt, dass ich nicht mehr der Jüngste bin, dass ich viel aufgebaut hab, mich wohlfühle, ich nicht weiß, ob ich das nochmal kann! Ich habe dann noch Bedenkzeit gehabt.

 

Mit wem hast du darüber geredet?

Nur mit dem lieben Gott. Ich hatte drei, vier Personen, die mich im Gebet begleitet haben. Dann hab ich im Sinne des Evangeliums und im Sinne dessen, was ich immer gepredigt habe: "Gott ruft und Maria oder Abraham, Noah hören und tun es", gehandelt. Es wäre eigentlich ein Widerspruch gewesen, wenn ich nein gesagt hätte. Meine große Sorge war dann aber auch um die Zukunft der Pfarre und ich habe sehr früh schon die Empfehlung geäußert, dass der Pawel (Anm.: Kaplan P. Marniak) bleibt, weil er ja doch 7 Jahre mit mir ist, wir haben zwar verschiedene Stile, aber eine gemeinsame Pastoral, weil das auch für die Gemeinde schön ist. Sodass wenigstens verlautbart wird, dass zumindest er bleibt. 

 

Worauf freust du dich am meisten bzw. was wirst du am meisten vermissen?

Leichter tu ich mir, was ich vermissen werde: An erster Stelle die Personen, von den Kindern bis zu den Senioren!

Außerdem bin ich hier 14 Jahre und habe mit euch allen so viele Strukturen aufgebaut, die so subsidiär großartig funktionieren, ich musste praktisch nur aufpassen, dass alles gut geht, nichts Neues mehr erfinden! Man kann in Baumgarten super arbeiten, weil alles schon da ist. Es ist eine total schön aufgebaute Pfarrfamilie. In der neuen Situation weiß ich natürlich gar nichts. Ich war zwar zwei, dreimal dort, aber viel hab ich noch nicht gesehen, außer ein paar wenige Personen, die bisher alle sehr, sehr nett waren. Es gibt dort einen sehr netten Kaplan, Paul Such, der selbst erst ein Jahr dort ist. Ich hab mich gleich gut mit ihm verstanden. Ich hoffe, ich kann das dienen, was Gott von mir will.

Pfarrer Clemens bei der Osternacht
Pfarrer Clemens bei der Osternacht

Die schönsten Erlebnisse?

Unsere tollen Messen, begleitet durch die Chöre und Musiker, von der Jugendmesse über Weihnacht bis Osternacht eigentlich alles. Eine war schöner als die andere! Dann natürlich die Lager, bevor Pawel das dann ganz übernommen hat, das hat mir schon auch immer sehr gefallen. Und die Pfarrurlaube sind schon auch immer was Besonderes, da schauen andere Pfarren immer neidisch, wenn ich davon erzähle! Aber dann auch eben dieses ganz stinknormale Zusammenarbeiten hier, es gibt ja praktisch keine Giftpfeile hier. Es ist wirklich ... Wenn was passiert, dann aus einem Irrtum heraus und von niemandem absichtlich. Ich hab ja oft gesagt: Es ist immer billiger in Frieden und in Liebe!

 

Was war in Baumgarten deine Lieblingsbeschäftigung in deiner Freizeit?

Ich bin gerne raufgegangen, spazieren, zur Otto-Wagner-Kirche. Ansonsten habe ich liebend gerne mit dem Mesnerteam die Kirche innen schön gemacht, mit wahnsinnig viel toller Handarbeit von allen Beteiligten. 

 

Was denkst du, ist das Besondere an Baumgarten?

Dass es wirklich eine Pfarrfamilie ist, im Bewusstsein aller. Von den Kindern über die Jugend bis zu den Senioren arbeiten alle zusammen! Ich hab mich so gefreut, dass z. B. Christine Schehir in den PGR gewählt wurde, das war für mich ein besonderes äußeres Symbol, das aber glaube ich auch der Realität entspricht. Genauso wie das Zusammenspiel von klassischer und moderner Musik, das liebe ich! Die einen lernen die klassische Musik kennen und die anderen, die Senioren z. B., lernen die Kinderlieder kennen. 

 

Wenn du zurückdenkst, was wurde alles durch dich und mit dir geändert?

Nunja, die gesamte Kirche wurde restauriert und ausgemalt, rote Teppiche, Bühne, Altar und Ambo habe ich ja selbst entworfen, außerdem kamen neue Ministrantenbänke, die Lichtanlage verstärkt, sodass eine dimmbare Warmlichtatmosphäre entstanden ist, die ganze Lautsprecheranlage wurde erneuert, die Krypta von einem Langzeitarbeitslosen entrümpelt und hergerichtet. Der Jugendkeller, der wurde sogar zweimal gemacht, weil ja Hochwasser war, außerdem die Fenster und das Dach des Pfarrhauses, das Pfarrheim mit dem Kindergarten wurde komplett erneuert. Dann gab's ja zwei Einbrüche, die Spezialtüren (keine Kanten, aus Holz, feuerfest, Glas bis nach unten, elektrisch steuerbar, weil kindersicher) wurden am Türstock aufgeschlitzt. Jetzt gibt's aber eine Alarmanlage.

Wenn du uns in 10 Jahren wieder besuchst, was denkst du, hat sich geändert?

Ich bete dafür, dass die Kontinuität weitergeht, denn wenn wir innerlich Christus nicht in der Mitte haben, kann ich für nichts mehr garantieren, dann kann alles versanden. Aber wenn Christus in der Mitte bleibt, was ich hoffe und auch überzeugt bin, weil das Pawel und einer großen Menge an Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wichtig ist, dann mache ich mir keine Sorgen. Dass die ganzen Caritasprojekte wie z. B. Leo weiter so toll geleitet werden und auch die Flüchtlingshilfe. Das finde ich, machen wir hier wirklich ganz toll! Leider konnte ich mein neuestes Projekt, ganz im Sinne des Laudato si, nicht mehr in Angriff nehmen - ich wollte ja auf jedes Häuserdach, auch das der Kirche, gerne Solaranlagen bauen, sodass wir nachhaltigere Energie selbst herstellen können. Ich hoffe, das wird dennoch in Angriff genommen, denn das ist eine ganz tolle Sache!

 

Was wünschst du dir für die Zukunft? 

Für Baumgarten, dass eben Jesus in der Mitte ist. Das hab ich symbolhaft immer mit meinem Kreuz gezeigt. Für die neue Pfarre wünsche ich mir das auch, weil dann macht's ja Christus, dann habe ich keine Sorge mehr. Sein Wille geschehe, unser Wille ist ja leider beschränkt. Auf der einen Seite ist natürlich der Abschiedsschmerz, aber gleichzeitig ist auch die Freude da, weil ich es für einen Ruf von Christus annehme und vertraue, dass er weiß, was er tut. 

Unser Pfarrer mit seinem Nachfolger, dem designierten Provisor Pawel Marniak
Unser Pfarrer mit seinem Nachfolger, dem designierten Provisor Pawel Marniak

Packst du schon?

Ich miste aus! Aber nur die Dinge, die ich schon seit 15 Jahren nicht mehr brauche, die ich nur sicherheitshalber mitgenommen habe. Ich versuche, das Gepäck leicht zu halten. 

 

Hast du vielleicht noch Tipps für Pawel Marniak, unseren neuen Provisor?

Brauche ich nicht geben, wir haben so lange zusammen gearbeitet, er ist so ein lieber Priester und Freund für mich, spirituell, kann so gut umgehen mit Kindern, Jugendlichen, Erwachsenen bis hin zu den Senioren, eine breite Palette, sodass ich mir gar keine Sorgen mache. 

 

 

 

 

Was würdest du denen sagen, die nicht verstehen, warum du dem Ruf des Kardinals folgst, die vielleicht ein bisschen wütend sind?

Wie willst du sie beruhigen?

Die, die Jesus wirklich kennen und viel zugehört haben über die Nachfolge, die waren auch empört und wütend, aber haben mich dann angeschaut und gesagt: "Ich verstehs". Ich habe aber auch Menschen erlebt, die absolut nichts mit der Kirche am Hut haben und auch sehr traurig sind, bei denen muss ich besonders schaun, dass ich es ihnen erkläre. Ich versuche dann immer zu sagen, warum ich nicht nein gesagt habe: Kardinal König habe ich bei meiner Priesterweihe die Hände gegeben, versprochen, ihm und der Kirche zu dienen. Er sagte dann zu mir: "Gott vollende an dir das gute Werk, das er begonnen hat." Ich bin sicher, wenn ich nicht auf die Berufung Jesu Christi bauen könnte, würde ich nie eine Veränderung machen. Ich als Mensch bin ja eher nicht so veränderungssuchend. Ich weiß ja nicht mal, wo im neuen Zuhause der Lichtschalter ist ;) oder der Kelch in der Kirche steht! Das Schwere ist, den Mix zu finden, um zu erklären: Wenn ich Jesus nachfolge, MUSS ich das tun. Dann beginnen die Meisten auch, zu erkennen und zu verstehen. 

Natürlich darf ein Selfie mit der Reporterin nicht fehlen!
Natürlich darf ein Selfie mit der Reporterin nicht fehlen!

Was ist denn dein Lieblingslokal in Baumgarten?

Der Tabernakel. ;) Gern geh ich in die Casa Mia, aber auch das Retsina mag ich sehr oder das Medlbräu. 

Dein Lieblingsort?

Die Kirche.

 

Lieblingsplatz in der Kirche?

Ich habe außer der Sessio keinen wirklichen Platz. Aber wenn ich in der Bank sitze, dann oft rechts hinten oder links weiter vorne. Manchmal, bei der Jugendmesse, bin ich auch im Querschiff beim Herz-Jesu-Altar.

 

Dein Lieblingsfrühstück?

Beim Mesnerteam am Freitag (nach der Frühmesse!) und bei der Dienstbesprechung, das Frühstück von und mit der Christine einmal im Monat. 

 

Pfarrgruppe?

Oh, na das sind eigentlich alle. Ich liebe alle Gruppen! "Leider" sind alle so schön, da kann ich mich schwer entscheiden.

 

Am meisten gelacht habe ich mit:

Mit euch am Lager, mit dem PGR, und mit dem Kaplan - mit dem an erster Stelle!

 

Und am meisten geweint?

Selten, aber wo die Nachricht kam, dass ich Baumgarten bald verlasse, hab ich an dem einen Tag am meisten geweint in meinem ganzen Leben. Am Tag des PGR war das. Denn das Mitteilen war sehr schwierig und ich wusste da ja noch nicht, dass Pawel bleiben kann. Da hab ich schon am meisten gelitten, auch für die Pfarre. 

 

Am meisten fehlen wird mir:

Die Gemeinde. 

 

Am wenigsten vermissen werde ich:

Die Rasenmäher und die Schneidemaschinen in den Baustellenphasen! Wobei die Fenster mittlerweile so dicht sind, dass man eh kaum noch was hört.

Wir werden dich vermissen, Clemens!
Wir werden dich vermissen, Clemens!

Was sind denn deine Abschiedsworte, die du gerne an die gesamte Pfarre richten möchtest?

Das weiß ich noch nicht so genau, um ehrlich zu sein. Ich möchte eigentlich keine Abschiedsworte, sondern eher Dankesworte sagen. und noch mal die Bitte loswerden, dass die Pfarre eine Familie bleibt. Ich werde zwar nicht mehr oberster Hirte sein, verstehe mich aber dennoch als Mitglied und würde mich freuen, wenn mich die Pfarre segnend entlässt, so wie vielleicht Eltern das Kind loslassen, wenn es auszieht. Ich würde das so verstehen wollen, dass mich keiner vergisst, aber auch niemand mich wehmütig zurückholen will, sondern Clemens die Daumen hält und für mich betet, dass alles gut geht. Dieses aktive Loslassen wäre toll, dann kann ich mich freuen,  denn ich habe einen Rückhalt. Ich möchte ja in Kontakt bleiben, zum Beispiel in einer Gebetspartnerschaft, aber mich nicht als graue Eminenz einmischen. Im Heiligen Geist ist die Garantie und mit Christus in der Mitte schaffen wir alles.