Eine Frau beobachtet aus der Straßenbahn, die gerade in der Station stehen geblieben ist, gespannt die ungewöhnliche Szene: Das Kirchentor ist weit geöffnet und doch ist es im Inneren stockfinster; das Gebäude voll mit Menschen und doch ist kein Mucks zu hören. Nur das Feuer beim Eingang hört man leise knistern.
Während zehn Minuten vorher in der Sakristei noch Nervosität und hektisches Treiben bei den zahlreichen Ministranten und der Geistlichkeit herrschten, ist es nun ganz ruhig. Die Pfarrgemeinde hat sich zu dem Hochfest versammelt, das das größte und wohl auch das feierlichste und stimmungsvollste im ganzen Jahreskreis ist: Baumgarten feiert die Osternacht.
Mittels Funkmikrofon und Videoübertragung können alle Messbesucher genau mitverfolgen, wie Pfarrer Clemens Abrahamowicz das Feuer segnet und Diakon Thomas Natek die neue Osterkerze daran entzündet. Die Prozession setzt sich in Bewegung und ein einziger kleiner Kerzenschein strahlt in dem weiten Kirchengebäude in die Dunkelheit hinein. „Lumen Christi“, stimmt der Diakon an – „das Licht Christi“. Nun wird das Licht der Osterkerze weitergegeben und schon bald wird die ganze Kirche durch hunderte kleine Kerzen in ein sanftes Licht getaucht.
„Gott, sah, dass es gut war“, liest das Ehepaar Theiner - in entzückender Weise von der kleinen Tochter Veronika unterstützt – die Schöpfungsgeschichte aus dem Buch Genesis vor. Bei jedem neuen Tag entzündet ein Ministrant einen Leuchter im Mittelgang, während vorne auf der Leinwand das eben Gehörte mit Symbolbildern verstärkt wird.
Zwischen den fünf weiteren Lesungen, die noch folgen und traditionsgemäß mit erklärenden Worten zum besseren Verständnis eingeleitet werden, schafft ein Ensemble mit meditativen und rhythmischen Gesängen stimmungsvolle Überleitungen.
„Gloria in excelsis deo“, stimmt der Pfarrer schließlich mit voller Sangeskraft an. Jeder weiß, was nun kommt, und jedes Jahr wieder ist das die Stelle, an der viele ein Gefühl von ergriffener Gänsehaut verspüren. Die Glocken in und auf der Kirche läuten wie verrückt, die Orgel scheint sich mit machtvollem Gebrause selbst zu übertönen und schließlich stimmt die ganze Gemeinde ins Gloria ein. Christus ist auferstanden – das spürt man hier ganz deutlich.
„Ist es überhaupt angemessen, dass wir hier so gemütlich feiern bei all dem Krieg in der Welt?“, beginnt Pfarrer Abrahamowicz seine Predigt mit einer Frage, um sie gleich selbst zu beantworten: Wir selbst sind neben dem Wort und der Eucharistie das Licht Christi, das nicht ausgehen darf. Es gilt, immer wachsam zu sein und den glimmenden Docht nicht erlöschen zu lassen. „Überlassen wir uns ganz Christus – bleiben wir immer mit Gott online!“, wird die Gemeinde ermutigt.
Das feierliche Hochamt der Osternacht setzt sich noch lange fort, doch an diesem Tag hätte auch niemand erwartet, nach einer Stunde wieder nach Hause zu gehen. Alles ist dank unzähliger freiwilliger Helfer perfekt vorbereitet, die Kirche geschmückt, der Weihrauch duftet und auch der Kirchenchor und ein Violin-Solo bereichern den Gottesdienst.
Als nach mehr als zweieinhalb Stunden auch Pfarrer Clemens Abrahamowicz schon Hunger zu bekommen scheint, hört man ihn bei der Speisenweihe leise sagen: „Hmmm, san des gute Würscht!“ Die Gemeinde beschließt die Messe mit einem vom Überchor begleiteten „Großer Gott, wir loben dich“.
Wieder einmal hat die 40-tägige Fastenzeit ihr fulminantes und freudenvolles Finale gefunden – Christus, der Herr ist auferstanden! Noch viele Stunden wird im Pfarrheim gelacht, rund um das Osterfeuer getratscht, Schinken und Ei verzehrt und das größte Fest der Christen weitergefeiert!
Gesegnete und frohe Ostern!