Jahrhundert-Wallfahrt

„So früh aufstehen - und das am Sonntag!“, beklagt sich ein 7-jähriger Bub mit müder Stimme bei der Hinfahrt im Bus. Bereits um 8 Uhr war Abfahrt und längst befinden sich zahlreiche Pfarrmitglieder jeglichen Alters - freilich noch etwas schläfrig – entlang kurviger Straßen auf dem Weg ins Fadental. „Baumgarten – gemeinsam unterwegs“ lautet das Motto des heutigen Tages. Es soll ein ganz besonderer Tag in der Geschichte der Pfarre werden.


Beim Startpunkt in der Steiermark angekommen, wird die Dimension des heutigen Pfarrausflugs erst so richtig augenscheinlich: Ein Bus nach dem anderen parkt sich ein und nachdem alle Mitreisenden ausgestiegen sind, traut so mancher seinen Augen nicht: 100 Jahre Pfarrkirche St. Anna war einer der Gründe, diese Pfarrwallfahrt besonders groß anzulegen. Dass jedoch 119 Kinder, Erwachsene und Senioren dabei sein würden, hätten selbst die Organisatoren sich in ihren kühnsten Träumen nicht zu hoffen getraut.


Pfarrer Clemens Abrahamowicz zeigt sich gleich zu Beginn begeistert, als er alle zusammenholt: „Es ist traumhaft zu sehen, wie groß die lebendige Gemeinde Baumgartens ist“, freut er sich sichtlich die vielen Gesichter sehend, „preisen wir den Herrn!“ Schon werden die Gitarren ausgepackt und ein schwungvolles Lied angestimmt.


Nach einem kurzen Gebet teilt sich die riesige Pilgergruppe vorläufig, um den Weg nach Mariazell auf unterschiedliche Weise zurückzulegen.


Während vor allem die Senioren die Fahrt mit dem Bus fortsetzen und dabei so manche interessante Zwischenstation einlegen, startet die große Gruppe der Erwachsenen zu Fuß. Das Wallfahrtskreuz immer dabei herrscht unter den Frauen und Männern, die von Pfarrer Abrahamowicz begleitet werden, stets gute Stimmung und so mancher Witz macht die zurückgelegten Kilometer schnell vergessen. Unterwegs hält man schließlich auch noch einmal für eine Viertelstunde, um den Raum der wunderschönen Natur für eine kleine Andacht zu nützen.


Nicht minder lustig hat es die jüngere Generation, die heuer erstmals explizit und ganz besonders eingeladen ist und für die es ein eigens von der Jungschar gestaltetes Programm gibt. Dementsprechend stark vertreten sind die Mädchen und Buben an diesem Sonntag und schon von fern hört man das Lachen und Kudern der jungen Baumgartner. Während die Jugendlichen einen Teil der Strecke wagemutig per Roller zurücklegen, verkürzt den Kindern eine spannende Rätselrallye rund um wichtige Figuren aus der Bibel die Gehzeit.


Kurz vor dem gemeinsamen Ziel – der Wallfahrtskirche Mariazell, wo alle Gruppen gegen 15.30 Uhr wieder aufeinandertreffen – hat schließlich auch die Sonne ihren Kampf gegen die Wolken gewonnen. In der Kirche hört man schon bald das Glöckchen, das die gemeinsame Messe einläutet. Baumgarten ist hier nicht das einzige Wallfahrervolk, doch die große Mehrheit der Sitzbänke ist von den 119 Ausflüglern belegt. So eine große Gruppe, so hören wir, findet sich nicht alle Tage hier ein. Nach dem Kinderwortgottesdienst stoßen auch die Jüngsten dazu und bringen einen überdimensionalen Rosenkranz zum Altar.


„Wir sehen uns im Himmelreich!“, beendet Pfarrer Abrahamowicz die Messfeier und meint damit freilich den nahe gelegenen Gasthof „Zum Himmelreich“. Dort angekommen lassen die unzähligen Frauen und Männer, Mädchen und Buben die Gaststube aus allen Nähten platzen. Bei Hausmannskost und dem einen oder anderen Gläschen Wein sitzen 119 Baumgartner noch rund zwei Stunden gemütlich beisammen und lassen den schönen Tag gemeinsam ausklingen.


Tosenden Applaus ernten vor der Abreise Sara Dallinger und Fritz Erasim, die diesen Pfarrausflug – er kann wohl in seiner Dimension und seinem vielfältigen Angebot getrost als Jahrhundertwallfahrt bezeichnet werden – in mühevoller Arbeit geplant und vorbereitet haben!


„Ich fühl mich hier unter euch wirklich wie zuhause“, hört man eine ältere Dame gerührt sagen und sie spricht aus, was sich alle denken: „So etwas muss es unbedingt nächstes Jahr wieder geben!“ Das Kind, das in der Früh der Schlaf geplagt hat, ergänzt quietschvergnügt: „Das frühe Aufstehen hat sich echt ur ausgezahlt!“ Und als am späteren Abend die Busse die heimatliche Pfarrkirche in Wien erreichen, kann man bei genauem Hinsehen ein Lächeln auf dem Antlitz der 100-jährigen St. Anna ausmachen: Schön, dass sie eine so lebendige Gemeinde beheimaten darf …