Von 2. bis 6. Jänner fand – so wie in ganz Österreich – auch in Baumgarten wieder die Dreikönigsaktion statt. Schwerpunkt der Sammlung war heuer Horomocha in Indien, wo die Ureinwohner der Region unter den drastischen Folgen einer ungehemmten Industrialisierung und der Ausbeutung der natürlichen Ressourcen leiden. Wir haben die Sternsinger ein Stück auf ihrem Weg begleitet.
„OK, jede Gruppe stellt sich jetzt mal so zusammen, wie sie zusammengehört“, ruft eine Gruppenleiterin mit leichter Nervosität in der Stimme quer durch den Pfarrsaal. Es ist mitten in der Früh und es ist Feiertag – und doch: an jenem 6. Jänner 2010 herrscht ungewohnt reges Treiben im Pfarrsaal. Kinder laufen durch den Raum, gehen ein letztes Mal ihr Sprücherl durch oder suchen nach dem perfekt glitzernden Umhang. Für andere heißt es stillhalten: „Du musst jetzt bitte kurz die Augen zumachen“, erfährt ein kleiner Bub, dessen Gesicht gerade schwarz angemalt wird. Für ihn ist es das erste Mal, dass er bei der Dreikönigsaktion mitmacht. Für andere ist das Sternsingen längst langjährige Routine.
Als die rund 20 Könige feierlich durch den Mittelgang in die Pfarrkirche einziehen, sind alle Blicke auf sie gerichtet. Diese Messe gehört ganz ihnen. Die Geschichte von den weisen Sterndeutern aus der Ferne ist auch der Kern der heutigen Liturgie. „Hier kommen die Könige, sie folgen einem Stern“, singen die Kinder. Dann holt Kaplan Pawel Marniak ein paar von ihnen zu sich nach vorne. Gemeinsam stellen sie sich zur Krippe mit dem echten Jesus-Baby. Fast könnte man meinen, es weiß, wie viel Segen die Heiligen Drei Könige bringen – so friedlich schläft es im Stroh.
„Weißt du, was ihr da habt?“, geht der junge Priester ganz locker auf die Kinder ein – und man möchte hoffen, dass er der Pfarre weit länger als das veranschlagte Jahr erhalten bleibt. „Das ist Myrrhe!“, antwortet ein Mädchen, das heuer zur Erstkommunion gehen wird und das allererste Mal als Königin unterwegs ist, selbstbewusst ins Mikrofon. „Ins Mikro reden ist für mich ur kein Problem“, hatte sie ihren Begleitern zuvor im Pfarrheim gar nicht schüchtern erklärt, „ich hab auch schon in einem Theaterstück mitgespielt.“
Auch die anderen Mädchen und Buben, die mit ihren Kronen und seidenen Kleidern mitunter selbst für die eigenen Eltern nicht gleich erkennbar sind, zeigen sich mutig. Selbstredend, dass der Pfarrgemeinde Lieder und Sprüche vorgetragen werden. Einige Kinder dürfen auch eine Fürbitte vorlesen. „Heute gibt es eigentlich nur eine wichtige Verlautbarung“, richtet sich Kaplan Pawel Marniak, der in den Tagen zuvor selbst eine Sternsingergruppe begleitet hatte, am Ende des feierlichen Gottesdienstes an die Menschen in den Bänken: „Sagen wir diesen Kindern ein großes Danke, dass sie unermüdlich die Frohe Botschaft verkünden und Geld für die Ärmsten sammeln!“ Dann, nach dem Segen, teilt sich die große Kinderschar in viele einzelne Königsgruppen auf, um von Haus zu Haus zu ziehen.
Der Schnee knirscht, als die Kinder, die wir heute begleiten, von einem Haus zum nächsten laufen. Es ist ein wirklich romantisches Bild – die glitzernden Könige und die weiße Pracht. Auch die vier Mädchen haben ihre Freude daran und beim Herumtollen gibt es für sie natürlich jede Menge zu kudern. „Ein Stern strahlt in der dunklen Nacht, hat uns Freude ins Herz gebracht“, sagt der Caspar an der ersten Tür fehlerfrei seinen Text auf. Überhaupt gibt es an der Performance dieser jungen Königinnen nicht das Geringste auszusetzen. Laut und deutlich, sodass es auch die älteren Menschen verstehen, und immer mit einem Lächeln im Gesicht verkünden sie ihre Botschaft. Und das kommt an. „Jö, war das schön. Ich freu mich so, dass ihr endlich wieder mal bei mir wart!“, zeigt sich eine Dame sichtlich gerührt und der Ehemann drückt den vier Mädchen eine große Portion Süßigkeiten in die Hand. Es sind nicht die einzigen Kalorienbomben, die die entzückenden Kinder in diesen Tagen absahnen. Und so beschließt ein Teil der Gruppe, auf die Linie zu schauen und im nächsten Haus gleich einmal auf den Aufzug zu verzichten. Keuchend, aber mit einem breiten Lächeln im Gesicht, weil sie schneller oben waren als ihre Kolleginnen, stehen sie im 5. Stock.
„Wir danken euch für eure Gaben, für die, die bestimmt nicht wenig haben“, verhaspelt sich der Balthasar dann doch einmal. Doch die Zuhörerin hat es entweder nicht gemerkt oder ist nachsichtig. Schließlich wissen die meisten Leute, dass die Sternsinger nur für Menschen Spenden nehmen, die es wirklich nötig haben. „Wofür sammelt ihr denn?“, fragt später ein junger Mann, der den seit 55 Jahren praktizierten Brauch anscheinend nicht kennt, und studiert genau den Prospekt. Eines der Mädchen gibt ihm gleich Auskunft: „Wir sammeln z. B. für Kinder in Indien, die arbeiten müssen, statt in die Schule zu gehen.“
Mit schier unerschöpflichen Energien fetzen die Kinder von einer Tür zur nächsten, während der Rucksack des Begleiters vor lauter Süßigkeiten immer schwerer wird. Doch auch die metallene Kassa, die fixer Bestandteil jeder Sternsingergruppe ist, füllt sich mehr und mehr. „Wir müssten jetzt eigentlich schon so circa 200 Euro drinnen haben“, freut sich eine der Königinnen nach einer guten Stunde. Aber auch die Kinder wissen, dass es bei der Dreikönigsaktion nicht nur ums Geld geht. Eine andere Gruppe hatte am Vortag dem Blindenheim einen Besuch abgestattet. Das Strahlen einer Bewohnerin - die nicht einmal mehr das Bett verlassen konnte -, als die Sternsinger mit dem Singen ihrer Lieder begonnen hatten, hatte auch die jungen Helfer ganz schön beeindruckt.
Neugierig versucht die kleinste Königin, über den Tisch in die silberne Schale hineinzusehen: in einer Wohnung wird zur besonderen Feier des Tages sogar echter Weihrauch angezündet, als die Heiligen Drei Könige eintreten. Die Mädchen dürfen das wohlriechende Fass der Reihe nach schwenken und durch die Zimmer tragen. „Was, schon aus?“, sind die Kinder um 13.30 Uhr überrascht und enttäuscht zugleich. Ein letzter Spezialbesuch geht sich noch aus: die alte Dame, die die Mädchen aus der Kirche kennen, freut sich ganz besonders über ihre besonderen Gäste. Danach macht sich die Sternsingergruppe, wie alle anderen auch, auf den Weg zurück ins Pfarrheim.
Im Pfarrsaal angekommen, hört man es schon überall klimpern und die Köpfe vieler Kinder scheinen zu rauchen. Denn die letzte Aufgabe jeder Gruppe ist es, Scheine und Münzen zu sortieren und nach dem 4-Augen-Prinzip zu zählen. Danach müssen noch die ersungenen Süßigkeiten nach allen Regeln der Gerechtigkeit aufgeteilt werden – einen Teil spenden die Mädchen und Buben wie jedes Jahr freiwillig dem Obdachlosenheim „Gruft“ -, ehe endlich die leeren Mägen mit einem leckeren, von Jungscharleitern gekochten Festmahl gefüllt werden. Kaplan Pawel Marniak ist auch da und hat gleich eine selbstgemachte Nachspeise für die ganze Meute mitgebracht.
„Wir sind ja eigentlich in einer anderen Pfarre, aber hier ist es so nett“, beschließt eine Mutter spontan, ihr Kind in Baumgarten zur Erstkommunionsvorbereitung gehen zu lassen. Auch die drei Hauptverantwortlichen der heurigen Dreikönigsaktion, Julia Hartleb, Lea Schenner und Andreas Schaller, zeigen sich durchwegs zufrieden: „Die Kinder haben ihre Sache sehr gut gemacht!“ Dann kommt der Moment, auf den alle schon gewartet haben. Die Spannung steigt, es wird mucksmäuschenstill im Raum – die Stimmung ist fast ein bisschen so wie bei der Millionenshow. Auch bei uns in Baumgarten geht es um viel Geld: Andreas Schaller hält ein Schild in die Höhe und verkündet das Endergebnis: „… und insgesamt sind es 6.758 Euro und 75 Cent geworden!“ Der große Pfarrsaal füllt sich mit tosendem Applaus und den hört man auch später noch ein paar Mal. Denn jedes Kind und jeder Begleiter, der an der Dreikönigsaktion 2010 mitgewirkt hat, wird persönlich aufgerufen und erhält ein kleines Geschenk. Bei den Mädchen und Buben, die das erste Mal dabei waren, sieht man, dass das Sternsingen etwas ganz Besonderes für sie war, als sie vortreten, um ihre Urkunde entgegenzunehmen. Ihre Augen leuchten und strahlen – fast so hell wie einst der Stern über Bethlehem.