Fronleichnam 2010: Ein Stückchen Jesus?

Der heutige Feiertag beginnt für viele Gläubige ganz besonders früh. Zu Fronleichnam sitzen die Messbesucher der St.-Anna-Kirche bereits um 8:30 Uhr auf den Kirchenbänken, was vielen sicher nicht ganz leicht gefallen ist. Kaum zu glauben, wie viele Kinder sich putzmunter vor dem Altar tummeln, um gemeinsam zu den Messliedern zu tanzen, während eine engagierte Kleingruppe an Sängern und Instrumentalisten die Messe musikalisch unterlegt.

Heute, zu Fronleichnam, steht die Eucharistie im Mittelpunkt, der Leib Christi, das Brot des Lebens. Im Evangelium hören wir, dass Jesus mit 5 Broten und 2 Fischen 5000 hungrige Männer sättigen konnte und noch dazu 12 Körbe an Brotüberresten übrig blieben. Wie geht das? Wie kann etwas geteilt werden und dennoch mehr werden? Kaplan Pawel Marniak zeigt den Kindern eine riesige Hostie und beginnt sie zu teilen. Wenn die Hostie Jesus ist, bekommt dann jeder Einzelne von uns nur ein Stückchen von Jesus? Einen Finger oder ein Haar?


Vor allem den Kindern, die durch den Mathematik-Unterricht in der Schule sehr wohl etwas vom Teilen verstehen und sich nicht so leicht täuschen lassen, kann Kaplan Pawel Marniak heute sehr einleuchtend erklären, wie das Teilen bei Jesus funktioniert. Er hält den Kindern einen riesengroßen Spiegel vor, zeigt ihnen ihr Spiegelbild und lässt sich anschließend einen Hammer bringen. Spätestens als dieser Spiegel mitten in der Predigt willentlich in tausend Scherben zertrümmert wird, sind alle Messbesucher hellwach.


Langweilig wird es in unserer Messe keinesfalls, aber was will Kaplan Marniak uns mit den vielen Trümmern und Scherben sagen? Dass man, selbst wenn man nur ein kleines Stückchen des Spiegels in den Händen trägt, immer noch sein ganzes eigenes Gesicht darin sehen kann. Dass, egal wie klein die Hostie sein mag, die wir Sonntag für Sonntag erhalten, Jesus immer GANZ da ist. Dass, egal wie klein und unscheinbar die Monstranz sein mag, immer derselbe Jesus drinnen ist.


Die Sorge vieler Leute, dass die Fronleichnams-Prozession heuer wortwörtlich „ins Wasser fällt“, hat sich nicht bewahrheitet, denn heute scheint zum ersten Mal seit Tagen wieder etwas Sonne! Umso fröhlicher marschiert der lange Prozessionszug unter polizeilicher Aufsicht auf die Linzer Straße hinaus. Kinder und Ministranten vorab, anschließend die Geistlichen mit der Monstranz unter dem „Himmel“, gefolgt von den fleißigen Musikern und begleitet von einer Schar an Messbesuchern. Es gibt keinen Fleck, an dem Fußgänger sich nicht nach der langen, feierlichen Menschenschlange umdrehen.


Die erste Station ist ein romantisch geschmückter Altar mit einem vorgelegten bunten Blütenteppich bei der Fleischerei Stephan. Diakon Christoph Buda hält eine kurze Predigt, in der es darum geht, dass wir Gott folgen wollen. Doch bevor man jemandem folgt, muss man ihm ZUHÖREN! Schon kommt ein Kind mit einem riesengroßen Holz-Ohr herbeigehuscht und hält es in die Höhe. Das Ohr symbolisiert unsere Aufmerksamkeit gegenüber Gott. Die anderen Kinder, welche mit Körbchen ausgestattet werden, sammeln den Blütenteppich auf und beginnen den Weg zur zweiten Station mit Blüten zu bestreuen.


Die zweite Station steht im Casino-Park. Dort wartet ein riesengroßer, aufwendig geschmückter Altar, der viel Aufmerksamkeit erregt. Die Aufschrift „Wir wollen mit Jesus wachsen“ steht über dem Bild eines Baumes, dessen Blätter aus bunten Handabdrücken von Kindern bestehen. Links und rechts davon sind Fahnen aus buntem Krepppapier und jede Menge Luftballons aufgestellt. Ganz oben steht eine Papiersonne, die ein wenig an die Monstranz erinnert. Ein schönes Bild: An der Spitze „das Licht der Welt“ und genau darunter die aufstrebenden Luftballons und die gestreckten Hände des Baumes, die zum Licht emporwachsen – da hat sich jemand wirklich große Mühe bei der bedeutungsvollen Gestaltung gegeben.


Bei dieser Station hebt ein Kind ein großes Holz-Herz empor. Das Motto der zweiten Station lautet nämlich VERSTEHEN. Es reicht nicht nur zuzuhören, das Wort Gottes kann nämlich in ein Ohr hinein- und zum anderen Ohr wieder hinausspazieren. Wichtig ist, dass das Wort Gottes einen Umweg zum Herzen macht, dass man es sich „zu Herzen nimmt“.


Die dritte und letzte Station befindet sich im Garten des Blindenheims Baumgarten. Hier hält ein Kind eine Gips-Hand mit erhobenem Zeigefinger hoch. Wenn man das Wort Gottes hört und es auch versteht, dann bleibt einem nur noch mehr die Hand, mit der man dem Wort Gottes auch folgen soll. Diese Station symbolisiert das TUN, das Umsetzen des Gehörten. Pfarrer Clemens Abrahamowicz wählt als Beispiel das letzte Abendmahl, an dem Jesus den Jüngern die Füße gewaschen hat. „Wenn nun ich euch die Füße gewaschen habe, dann müsst auch ihr einander die Füße waschen.“ Die letzte Station mit dem erhobenen Zeigefinger soll darauf hindeuten, dass es nicht reicht, nur zu hören und zu verstehen. Gott ist Mensch geworden, um Handeln zu können wie ein einfacher Mensch. Bevor sich die Pfarrgemeinde nach ihrer ausführlichen Prozession am Buffet des Blindenheims laben kann, gibt Pfarrer Clemens uns noch ein einfaches und treffendes Motto für unseren Alltag mit: „Mach’s wie Gott – werde Mensch!“