Kerne im Herzen

Am 20. 10. feierte die Pfarre Baumgarten gemeinsam mit den Familien des Horts und Kindergartens das alljährliche Erntedankfest in der bunt geschmückten und übervollen Pfarrkirche. Der Altar stand inmitten von zahlreichen mit Obst und Gemüse gefüllten Körben und Kinderfahrrädern, die mit Kastanien und herbstlich gefärbten Blättern behängt waren. Zahlreiche Gaben für das viele, wofür es sich zu danken lohnt.

Ist denn schon Weihnachten?? Fragten sich wohl manche, die zum Erntedankfest in die Kirche gekommen sind. Überall Gewusel, volle Bankreihen, selbst die Stehplätze mit freier Sicht werden knapp … man hätte sich wohl besser Plätze reservieren oder früher aus dem Bett schlüpfen sollen. Dutzende Kinder tummeln sich mit selbst gebastelten Gersten-Krönchen vor dem Altar. Der Altarraum leuchtet in den strahlenden Herbstfarben der bunt gefüllten Körbe auf – Kürbisse, Kartoffeln, Äpfel, Brot … es dauert eine Weile, bis man überhaupt alle optischen Eindrücke der heutigen Messfeier erfasst hat.


Pfarrer Clemens Abrahamowicz ist ganz in seinem Element, freudig begrüßt er alle Kinder des Horts und Kindergartens, vor allem diejenigen, die heute zum ersten Mal dabei sind, und fordert die Messbesucher zum Gruß-Applaus auf. Die pfarreigene Musikgruppe begleitet die Messe mit Liedern, zu denen die Kinder ihre einstudierten Bewegungen ausführen und voller Inbrunst mitsingen können. Singen bedeutet Gott mit dem Herzen zu applaudieren, sagt Pfarrer Abrahamowicz und freut sich über die rege Anteilnahme der vielen Kinder und Erwachsenen.


Doch nicht überall geht es so freudig und schwungvoll zu. In der Predigt erklärt unser Herr Pfarrer, dass es viele Menschen gibt, die mit einem traurigen Gesicht durch die Welt gehen. Manchmal sieht man solche Menschen in der U-Bahn, aber bestimmt auch im Kindergarten, im Hort oder in der Schule. Vielleicht haben unsere Mitmenschen Sorgen, weil ihnen etwas Schlimmes zugestoßen ist oder aber sie fühlen sich schuldig, weil sie selbst etwas Dummes angestellt haben und jetzt beschämt und traurig sind. Doch Jesus sagt auch zu ihnen: Macht nichts, ich hab dich trotzdem lieb! Ich bin trotzdem bei dir!


Und darum danken wir Gott und feiern den heutigen Sonntag als großes, buntes Fest mit einer riesigen Ansammlung von kostbarem Obst, Gemüse und anderen Leckereien. „Was habt ihr heute mitgebracht?“ fragt Clemens Abrahamowicz, als er durch die Bankreihen zieht und den Kindern das Mikrofon hinhält. Neben der Aufzählung vieler Nahrungsmittel sorgt ein etwas schüchtern klingendes Kind mit der Antwort „Nix …“ für herzliche Lacher in der Kirche. Pfarrer Abrahamowicz greift diese Antwort sofort auf – denn tatsächlich geht es im christlichen Gottesdienst nicht darum, Gott Geschenke zu bringen, sondern darum, dass wir mit „nix“ zu ihm kommen und dennoch ganz viel von seiner Liebe als Geschenk erhalten!


Dann holt sich Pfarrer Abrahamowicz Assistenz aus der Kinderschar, denn er möchte einen Apfel aufschneiden. Von den Kindergartenkindern hat er ein spezielles Lied gelernt, dessen Inhalt er uns nun allen (von einer Gruppe Kinder musikalisch begleitet) demonstrieren möchte. Dazu schneidet er den Apfel ungewöhnlicherweise quer auf … 

In meinem kleinen Apfel, da sieht es lustig aus: 

es sind darin fünf Stübchen, grad wie in einem Haus.

In jedem Stübchen wohnen zwei Kernchen schwarz und fein,

die liegen drin und träumen vom lieben Sonnenschein.


Und tatsächlich, wir erkennen 5 kleine Kammern samt Kernen in diesem Versuchs-Apfel. Was kann man mit diesen Kernen machen? Die Kinder wissen genau, dass aus jedem dieser winzig kleinen Kerne etwas gewaltig Großes werden kann - ein riesiger Apfelbaum! Pfarrer Abrahamowicz vergleicht diese Kammern mit den Kammern unserer Herzen – was können wir in unseren Herzkammern finden? Gott hat auch in unsere Herzkammern Kerne gelegt, klein aber mächtig! Darum kann aus jeder noch so winzigkleinen guten Tat, die wir tun, ein riesiger Apfelbaum entstehen, der anderen Menschen neue Äpfel und Kerne schenkt!


Und um gute Taten können wir uns auch im Alltag bemühen. Es gibt viele Kinder, denen es nicht so gut geht wie uns, sogar im Kindergarten. Pfarrer Abrahamowicz erzählt von einem kleinen Mädchen, das jeden Tag von seiner Mama ein tolles Jausenbrot in den Kindergarten mitbekommen hatte. Dem Mädchen fiel mit der Zeit auf, dass ein anderes Kind nie eine Jause dabei hatte, darum beschloss es eines Tages, sein Brot zu teilen. Beim Versuch das Brot in zwei Teile zu brechen, fiel ihm eine Hälfte runter. Das Mädchen gab dem anderen Kind die gute Hälfte und beugte sich hinunter, um die schlechte Hälfte für sich zu behalten. Es hatte zwar die schlechtere Hälfte behalten, jedoch waren beide Mädchen unheimlich froh über diese gemeinsame Jause!


Wenn du teilst, verdoppelt sich die Freude! Beim Apfel und beim Brot hat man nach einer Teilung nur mehr die Hälfte übrig, doch mit der Liebe verhält es sich ähnlich wie mit Feuer – teilen wir das Licht, die Freude und die Liebe, dann verzigfacht sie sich und verbreitet sich rasend schnell! Für diese Gabe danken wir Gott zu Erntedank am allermeisten. Dafür, dass wir diese kleine Saat aus unseren Herzen in Liebe verwandeln, bei anderen Menschen säen und schließlich in vielfacher Menge ernten können!


Dass jeder seinen kleinen Teil zu dieser „Gabenvermehrung“ beitragen kann, sehen wir an den Kindern ganz deutlich. Engagiert beteiligen sich die Kinder bei der Messgestaltung, indem sie Lieder singen, tanzen und sogar Geschenksäckchen für die Messbesucher gebastelt haben. Jede Familie soll sich nach der Messe ein Sackerl mit gedörrten Apfelscheiben nach Hause mitnehmen, als Zeichen dafür, dass mit ganz wenig Apfel, Liebe oder Kerne alle von uns glücklich und „satt“ werden können.


Zur weiteren Sättigung werden schließlich alle herzlich ins Pfarrheim eingeladen, wo noch zwei wichtige Tagesordnungspunkte anstehen! Die Segnung des Pfarrgartens, der über den Sommer von der Boku in einem Projekt neu gestaltet wurde, damit die Hort- und Kindergartenkinder sich in der warmen Jahreszeit beim Spielen noch wohler fühlen und vielleicht schon bald selbst Gesätes ernten können. Und natürlich die herrliche Agape, bei der man den Sonntagvormittag noch plaudernd in familiärer Atmosphäre ausklingen lassen kann.