Baltikumreise

Vom neuen Check-in-3 starteten 36 Reiselustige die heurige Pfarrreise. Schon im Flieger stellten wir unsere Uhren um 1 Stunde vor. In Vilnius, der Hauptstadt Litauens, erwartete uns unsere „Reisemutter“ Laima Andrikyte, eine Deutsch-Dozentin. Sie brachte uns viel Interessantes aus der bewegten, immer wieder von Fremdbesetzungen und Unabhängigkeitskämpfen gekennzeichneten Geschichte des Baltikums, der Kultur, Architektur und Literatur näher. In der gotischen St.Anna-Kirche, von der Napoleon gesagt haben soll, er wünschte, er könne sie mit eigenen Händen nach Paris tragen, feierten wir am Abend die hl. Messe. Herr Pfarrer Bogdan Pelc zelebrierte, Willi ministrierte.

 

Am Sonntagvormittag besichtigten wir die Altstadt von Vilnius. Wir staunten, wie gut besucht die Gottesdienste in den Kirchen waren. Litauen ist streng katholisch, 5% sind russisch orthodox. Vor den Weltkriegen waren 40% der Bewohner von Vilnius jüdischen Glaubens.

 

Während der Fahrt zur Inselfestung Trakai zog ein Gewitter auf. Wir warteten im Bus den Regen ab, bestens unterhalten durch Bogdans Witze. Die Wasserburg war den Besuch wert. Übernachtung in Kaunas, der zweitgrößten Stadt Litauens.

 

Am 3. Tag fuhren wir vorbei an leuchtend gelben Rapsfeldern nach Klaipėda, ehemals Memel, und gelangten mit der Fähre auf die Kurische Nehrung. Noch immer sieht man die Schäden des Waldbrandes von 2006. Durch Rodungen im 17.Jh. bildeten sich große Wanderdünen, die ganze Dörfer begruben. Die große Düne oberhalb des Ortes Nida, in dem wir untergebracht waren, ist 52m hoch. Schon Thomas Mann war von der Landschaft und dem Blick auf das Haff so begeistert, dass er in Nida ein Sommerhaus bauen ließ (heute ein Thomas-Mann-Museum). Auch der alte Friedhof mit den Kurenkreuzen war beeindruckend.

 

Wir verließen am Morgen Nida und kehrten nach Klaipėda ans Festland zurück. Beim Simon Dach-Denkmal sangen wir das Lied „Ännchen von Tharau“, das Bogdan stimmkräftig nach der Melodie „Hoch auf dem gelben Wagen“ anstimmte. Unsere nächste Station war der „Berg der Kreuze“, ein Hügel mit unzählbar vielen Kreuzen verschiedenster Formen und Größen. Sie bezeugen das Leid, das die Bevölkerung von Litauen schon seit der Zarenzeit erdulden musste. Am Abend erreichten wir Riga, die Hauptstadt Lettlands, dessen Bewohner zu einem Drittel protestantische Christen sind.

 

In Riga hatten wir eine örtliche Führerin, die laut Bogdan „besser und schneller deutsch spricht“ als er. Sie zeigte uns die herrlichen Jugendstilbauten, die neben der Altstadt zum UNESCO-Welterbe gehören. In den Weltkriegen wurden viele der ältesten Bauten der Handelsstadt zerstört, einige z.B. das Schwarzhäupterhaus (Gildenhaus der unverheirateten Kaufleute) wurden wieder aufgebaut. Der Rigaer Dom ist das größte Gotteshaus im Baltikum. Auf unserem Weg kamen wir unter anderem am Schwedentor, einem Stadttor von 1608, Gildenhäusern und Plätzen, die mit Blumen bunt und kreativ gestaltet sind, vorbei.

 

Bogdan deklarierte den Mittwoch zum „Witzefasttag“, aber Laima unterhielt uns bei der Weiterfahrt mit Gedichten von Heinz Erhart, der in Riga geboren wurde. Wir erreichten das Schloss Rundale, das der Herzog von Kurland, Biron, im 18.Jh. erbauen ließ. Es beherbergt viele schöne Gemächer, die in der Sowjetzeit als Verwaltungssitz, Schule und Getreidespeicher dienten.

 

Am Donnerstag mussten wir eine längere Strecke bewältigen. Die Fahrt ging zum Nationalpark Gauja mit dem Schloss Sigulda und der Burgruine der Schwertbrüder und der gegenüber liegenden Burg Turaida, die der Bischof von Riga erbauen ließ. Auf dem Gelände befindet sich eine der ältesten Holzkirchen Lettlands (1750) und das Grab der Rose von Turaida. Ihre traurige Geschichte erzählt, das Mädchen ließ sich lieber töten als ihre Ehre zu verlieren.

 

Noch ein kurzer Halt an der Ostsee, wo einige von uns ein Fußbad im Meer nahmen, dann erreichten wir Estland, wo man laut Laima „schweigt oder singt“. Auch unser Chauffeur, ein Este, sprach nur „5 Sätze pro 300km“. Das Land ist flach, es gibt viele Seen. Gegenüber von unserem Hotel ist ein großer See, aus dem Tallin sein Trinkwasser bezieht.

 

Auch in Tallin hatten wir wieder eine örtliche Führerin, deren Sprechtempo atemberaubend war. Wir sahen das Barockschloss Kadriorg von Peter dem Großen, das von einem schönen, gepflegten Park umgeben ist, das Rusalka-Denkmal, das an den Untergang des Panzerschiffes 1893 erinnert, und die Sängerfestbühne, auf der alle 5 Jahre das Estnische Sängerfest mit bis zu 15000 Chormitgliedern stattfindet. 1988 demonstrierten beim Sängerfest tausende Menschen gegen die sowjetische Besatzung und lösten damit die „Singende Revolution“ aus.

 

Am Domberg steht die neobyzantinische russische Alexander-Newski-Kathedrale und die Domkirche, das älteste Gotteshaus Estlands (1240). Vom Domberg aus hat man einen wunderbaren Blick auf die Altstadt. Der Rathausplatz ist bis heute ein Marktplatz, umgeben von mittelalterlichen Gebäuden. Das Rathaus aus dem 14.Jh. ist das einzige noch erhaltene spätgotische Rathaus Nordeuropas. Beeindruckend sind die Heiligengeistkirche aus dem 13.Jh. mit barocken Kirchenbänken und einer Renaissancekanzel, und die St. Nikolauskirche, die im 2.Weltkrieg zerstört und erstaunlicher Weise während der sowjetischen Ära wiederaufgebaut wurde. In ihr ist das berühmte Fries von Bernt Notke „Totentanz“ aus dem 15.Jh.: Skelette fordern zum Tanz auf, vom König bis zum Kind in der Wiege.

 

Am Nachmittag besuchten wir das Freiluftmuseum Rocca al Mare, wo Gutshäuser, Bauernhöfe, Fischerunterkünfte und Windmühlen aus allen Regionen Estlands aus der Zeit von 1750 bis Anfang des 20.Jh.s aufgestellt sind. Besonderen Spaß machte es, auf den großen hölzernen Landschaukeln zu schaukeln.

 

Der Samstagvormittag war zur freien Verfügung: die meisten fuhren nochmals in die Altstadt und besichtigten, was sie am Vortag nicht schafften oder genossen an einem gemütlichen Platz die Atmosphäre der estnischen Hauptstadt. Zu Mittag begaben wir uns zum nahegelegenen Flughafen und flogen über Warschau zurück nach Wien.

 

Bleibende Eindrücke: die baltischen Länder sind dicht von Kiefern-, Tannen- und Birkenwäldern bewachsen, es gibt sehr viele Störche, die ein Wahrzeichen der Region sind. Allerorts werden Schmuck und andere Gegenstände aus Bernstein angeboten. Die Menschen lieben Gesang und Blumenschmuck. Die Hauptstädte haben viele historische Gemeinsamkeiten und sind doch ganz verschieden. Überall aber gibt es Kopfsteinpflaster, daher ist gutes Schuhwerk empfehlenswert. Noch wichtiger aber ist die nette, humorvolle Gruppe, die gemeinsam all das Schöne erlebt hat und – man kann auch im Bus Rosenkranz beten!

 

(c) diverse